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G.A. Burger: Lenore
Gottfried August Bürger Lenore (1773)
Lenore fuhr ums Morgenrot Empor aus schweren Träumen: "Bist untreu, Wilhelm, oder tot? Wie lange willst du säumen" - Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht Und hatte nicht geschrieben, Ob er gesund geblieben.
Der König und die Kaiserin, Des langen Haders müde, Erweichten ihren harten Sinn Und machten endlich Friede; Und jedes Heer, mit Sing und Sang, Mit Paukenschlag und Kling und Klang, Geschmückt mit grünen Reisern, Zog heim nach seinen Häusern.
Und überall, all überall, Auf Wegen und auf Stegen, Zog Alt und Jung dem Jubelschall Der Kommenden entgegen. "Gottlob" rief Kind und Gattin laut, "Willkommen!" manche frohe Braut; Ach! aber für Lenoren War Gruß und Kuß verloren.
Sie frug den Zug wohl auf und ab Und frug nach allen Namen; Doch keiner war, der Kundschaft gab, Von allen, so da kamen. Als nun das Heer vorüber war, Zerraufte sie ihr Rabenhaar Und warf sich hin zur Erde Mit wütiger Gebärde.
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Zerschlug den Busen und zerrang Die Hand bis Sonnenuntergang, Bis auf am Himmelsbogen Die goldnen Sterne zogen.
Und außen, horch, gings trap trap trap, Als wie von Rosses Hufen, Und klirrend stieg ein Reiter ab An des Geländers Stufen. Und horch! und horch! den Pfortenring Ganz lose, leise klinglingling! Dann kamen durch die Pforte Vernehmlich diese Worte:
"Holla ! holla ! Tu auf, mein Kind! Schläfst, Liebchen, oder wachst du? Wie bist noch gegen mich gesinnt? Und weinest oder lachst du?" - "Ach, Wilhelm! du? - So spät bei Nacht? Geweinet hab ich und gewacht; Ach, großes Leid erlitten! Wo kommst du her geritten?" -
"Wir satteln nur um Mitternacht. Weit ritt ich her von Böhmen; Ich habe spät mich aufgemacht Und will dich mit mir nehmen." - "Ach, Wilhelm, 'rein, herein geschwind! Den Hagedorn durchsaust der Wind: Herein, in meinen Armen, Herzliebster, zu erwarmen!" -
"Laß sausen durch den Hagedorn, Laß sausen, Kind, laß sausen! Der Rappe scharrt; es klirrt der Sporn! Ich darf allhier nicht hausen! Komm, schürze, spring und schwinge dich Auf meinen Rappen hinter mich! Muß heut noch hundert Meilen Mit dir ins Brautbett eilen."
"Ach, wolltest hundert Meilen noch Mich heut ins Brautbett tragen? Und horch! es brummt die Glocke noch, Die elf schon angeschlagen" - zwolf "Herzliebchen! komm! der Mond scheint hell; Wir und die Toten reiten schnell; Ich bringe dich, zur Wette, Noch heut ins Hochzeitsbette." -
"Sag an ! wo ist dein Kämmerlein? Wo? wie dein Hochzeitsbettchen?" - "Weit, weit von hier! - Still, kühl und klein! Sechs Bretter und zwei Brettchen!" - "Hats Raum für mich?" - "Für dich und mich! Komm, schürze, spring und schwinge dich! Die Hochzeitsgäste hoffen; Die Kammer steht uns offen."
Schön Liebchen schürzte, sprang und schwang Sich auf das Roß behende; Wohl um den trauten Reiter schlang Sie ihre Lilienhände; Und hurr hurr hopp hopp hopp! Gings fort im sausenden Galopp, Daß Roß und Reiter schnoben Und Kies und Funken stoben.
[...]
Wie flogen rechts. wie flogen links Gebirge, Bäum und Hecken! Wie flogen links und rechts und links Die Dörfer, Städt und Flecken! - "Graut Liebchen auch? ...Der Mond scheint hell! Hurra! Die Toten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Toten?" "Ach. laß sie ruhn, lass die Toten." -
[...]
Vollbracht! vollbracht ist unser Lauf! Das Hochzeitsbette tut sich auf! Die Toten reiten schnelle! Wir sind, wir sind zur Stelle!"
Ha sieh! Ha sieh ! im Augenblick, Hu! Hu! ein gräßlich Wunder! Des Reiters Koller, Stück für Stück, Fiel ab, wie mürber Zunder. Zum Schädel ohne Zopf und Schopf, Zum nackten Schädel ward sein Kopf, Sein Körper zum Gerippe Mit Stundenglas und Hippe.
Hoch bäumte sich, wild schnob der Rapp Und sprühte Feuerfunken; Und hui ! wars unter ihr hinab Verschwunden und versunken. Geheul! Geheul aus hoher Luft, Gewinsel kam aus tiefer Gruft; Lenorens Herz mit Beben Rang zwischen Tod und Leben.