Interpretation 1. Das
psychologische Porträt der Titelfigur.
Was denkt Else von Männern,
von der materiellen Seite des Lebens, von sich selbst, wie sieht sie ihre eigene Situation jetzt
und in der Zukunft?
Einerseits
charakterisiert die Titelfigur verdrängte Sexualität, Weiblichkeit und das
Körperliche, andererseits sittliche Freiheit: Else ist offen von Liebesaffären
und -Verhältnissen, von Betrug in der Ehe. Sie hat teilweise vor sich selbst
verborgene, halb verdrängte Phantasien und Gedanken an Männer. Durch die Figur
der Else wird auch Leid der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft
dargestellt.
Ihr Verhältnis zur Familie: Else ist ein anständiges Mädchen aus gutem Haus. Sie kennt die moralischen
Gebote und spielt die Rolle, die von ihr verlangt wird. Sie erfüllt die
Erwartungen ihrer Familie. Um ihre Familie zu retten, entscheidet sie sich,
sich nackt dem Herrn von Dorsday zu zeigen. Zwischen ihren Wünschen und den
Wertvorstellungen der Familie und der Gesellschaft gibt es große Unterschiede.
Else weißt, dass ihr Vater sie verkaufen
will, weil er Schulden hat. Er behandelt ihre Tochter als eine Prostituierte.
Das ist ganz unmoralisch. Else fühlt sich von ihrer Familie gezwungen, ihren
ehemaliges Leben zu verlassen und eine Prostituierte zu werden. Einerseits opfert
sich Else für den Vater, sie ehrt und liebt ihre Eltern. Andererseits denkt
Else, dass die Mutter intellektuell eingeschränkt ist („Und die Mama, dumm wie sie ist“), weil sie sich vom Vater steuern
lässt und sie stimmt dem Vater immer zu.
Else sieht das alles. Dann zeigt sich der Zeitgeist: die Frauen wollten unter
solche Umständen nicht mehr leben, sie wollten nicht gesteuert werden.
Ihr Verhältnis zum Geld: Else träumt vom Leben im Wohlstand. Sie will einen
reichen Mann heiraten - das ist ihre Wunschvorstellung. In der Wirklichkeit
kann sie so was nicht erreichen: der Vater ist zwar ein begabter Anwalt, aber
er hat große Schulden. In der Realität wurde also niemand, die Tochter des
Bankrotteurs heiraten wollen.
Ihr Verhältnis zu sich selbst: Zuerst möchte Else ihremVater helfen. Sie konnte aber die Erniedrigung
ihrer Person nicht ertragen. Ihre Verzweiflung drückt sich deutlich im Text:
“Nein,
niemals verkaufe ich mich. Niemals.... Er hat sich doch denken können, daß
der
Herr von Dorsday nicht für nichts und wieder nichts.- Sonst hätte er doch
telegraphieren oder selbst herreisen können. Aber so war es bequemer und
sicherer, nicht wahr, Papa? Wenn man eine so hübsche Tochter hat, wozu braucht
man ins Zuchthaus spazieren? Und die Mama, dumm wie sie ist, setzt sich hin und
schreibt den Brief. Der Papa hat sich nicht getraut. Da hätte ich es ja gleich
merken
müssen. Aber es soll euch nicht glücken. Nein, du hast zu sicher auf meine
kindliche Zärtlichkeit spekuliert, Papa, zu sicher darauf gerechnet (...)“
Nachdem sich Else
nackt Herrn von Dorsday gezeigt hat, ist sie keine anständige Frau mehr.
Sie betrachtet sich dann als eine Mätresse. Sie denkt, dass sie schön ist und dass
sie auf diese Weise Geld verdienen kann.